Die Toscana ist, wie die Reiseführer sie beschreiben: wunderschön. Endlos reihen sich die derzeit erd- und ockerfarbenen Hügel aneinander.
Unterbrochen werden sie im Val d’Orcia von Weinbergen und Olivenbäumen. Ein wenig früher im Jahr und die Gegend wäre in Gold getaucht, doch die Weizenernte ist längst eingefahren. Dazu noch die Zypressen, die meist prunkvoll die Zufahrtsstraßen eines Anwesens schmücken. Wir lieben es und können uns gar nicht satt sehen 🥰
Unser Ziel ist heute der Weg. Über Land geht’s von unserem Ausgangspunkt Montepulciano bis nach Montalcino. Die Region ist bekannt für den Brunello. Ein Rotwein, der ausschließlich aus lokalen Sangiovese Trauben von sehr alten Weinstöcken besteht und mindestens 24 Monate im Eichenfass und dann nochmals Minimum 6 Monate in der Flasche reifen muss.
Ein Brunello muss von der Ernte bis zum ersten Schluck Minimum 5 Jahre warten - ein Brunello Riserva sogar 6 bis 8 - bis er verkauft werden darf. Das ist es auch, was seinen Preis ausmacht, dazu kommen natürlich die Lage und die Ertragsobergrenzen von 8.000 Kilogramm pro Hektar.
Die Region gehört zu den ersten, die als Denominazione di Origine Controllata e Garantita (DOCG) ausgezeichnet ist. Nur 200 Weingüter haben ein Zertifikat und bewirtschaften insgesamt 19.200 Hektar, wobei nur etwas über die Hälfte für den Brunello di Montalcino - mehr gibt es nicht, denn die Winzer setzen auf Qualität statt Quantität. Eine Flasche fängt so bei 30 Euro an, nach oben wie immer offen 🙃🙂
Wer nicht ganz so viel für eine Flasche Rotwein ausgeben möchte, sollte ein, zwei oder drei Rosso di Montalcino DOC probieren 😊 Der sogenannte kleine Bruder muss nur ein Jahr reifen, ist aber auch sehr kräftig und charakteristisch im Geschmack.
Ihr vermutet jetzt, dass ich das alles aus dem Reiseführer habe, oder? Nicht nur, das meiste wurde uns schon bei der ersten Weinprobe um kurz nach 10 Uhr erzählt 😎 Dazu gab es ein sehr leckeres Olivenöl und Pecorino, jungen wie alten.
Dann starten wir. Es ist nichts los auf den Straßen und dennoch haben sie einen Nachteil. Sie sind so schmal und kurvenreich, dass es nur wenige Möglichkeiten gibt, die tolle Aussicht in Fotos festzuhalten. Ab und zu gelingt es uns 😲
Unser erster Stopp ist Montalcino selbst. Wir schlendern durch die Gassen, die sich entlang des Hügels schlängeln. Es geht immer wieder auf und ab. Die Atmosphäre ist ruhig und ehrfurchtsvoll und erinnert an Filme wie „Der Medicus“. Kein Wunder, der Bau dieses Städtchens reicht weit in das 14. Jahrhundert zurück 🧐 In einer der vielen Vinotheken probieren wir den nächsten Wein aus der Region.
Durch Weinberge und Olivenhaine steuern wir Castelnuovo dell‘Abate an, genauer gesagt die beeindruckende Kirche Abbazia di Sant‘Antonimo. Sie liegt inmitten uralter Olivenbäume und hat einen kleinen Garten, wo Kräuter a la Hildegard von Bingen angebaut werden.
Danach fällt mir am Straßenrand ein Schild auf, dass zu einem biologischen Weingut führt. Für mich „Bio-Tante“ natürlich ein Grund, dieses nicht links liegenzulassen 👍 La Palazzetta umfasst 20 Hektar Weinberge und über 2.500 Olivenbäume, wie mir Tochter Tea erzählt. Ihre Eltern starteten 1988 mit gerade mal einem Hektar. 10 Jahre später sind sie bio-zertifiziert - 3 Jahre dauerte der Prozess insgesamt. Ein langer Zeitraum, den nicht jedes Weingut auf sich nimmt. Wie sagte Tea so schön: „Doppelte Arbeit und mehr Kosten für die Hälfte Ertrag.“ Dennoch ist sie stolz, Wein und Olivenöl im Einklang mit der Natur zu produzieren.
Leider kann ich das Olivenöl nicht probieren, die Erträge vom letzten Jahr sind bereits ausverkauft. Die Weinlese im September geht quasi nahtlos in die Olivenernte im Oktober über. Dafür werden die Oliven morgens per Hand gepflückt und dann mehr oder minder sofort zur Mühle gebracht, wo sie kalt gepresst und das Öl ungefiltert abgefüllt wird. Nur 1,5 Stunden dauert das, was sich positiv auf die Qualität auswirkt. Wie gesagt, ich hätte es gerne probiert und dann vermutlich auch gekauft. So bleibt es bei einer ersten Flasche Brunello di Montalcino - der nächste schöne Anlass kommt bestimmt ☺️
Wir folgen dem Navi bis nach Castilglione. Auch diese Strecke ist malerisch. Wein, Oliven und tolle Anwesen prägen die Aussicht. Am Horizont streckt sich der höchste Berg der Toskana, der Monte Amiata, der Sonne entgegen. Eigentlich hatten wir um die 24 Grad und ein Lüftchen erwartet. Aber für uns gibt die Sonne nochmals ihr Bestes. 33 Grad zeigt das Thermometer an. Wir stellen das Auto ab und erkunden auch dieses Örtchen inklusive dem Rocca dˋOrcia.
Einziges kleines Manko: Die Suche nach etwas Essbarem gestaltet sich etwas schwierig. Bis dato hatten wir nur Wein und Eis 😂 Wir sind scheinbar im richtigen Italien angekommen. Auf dem Land macht selbst der Supermarkt von 14:30 bis 17 Uhr Siesta 🤫
Dann doch noch nach San Quirico d‘Orcia. Das Örtchen liegt wie auch schon La Verna direkt an der Pilgerroute. Ihr wisst noch: der heilige Franziskus von Assisi 😃 Gleich 5 mittelalterliche Kirchen prägen das Stadtbild. Wahnsinn diese Architektur, wenn wir bedenken, wann sie gebaut wurden. Das erinnert mich irgendwie alles an „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett 😲
Endlich finden wir eine Bar. Es wird auch wirklich Zeit für einen Aperitivo. Dazu ein paar Häppchen. Das Leben meint es doch noch gut mit uns 😉
Was für ein schöner Tag. So viele neue Eindrücke und so viele davon lassen sich leider nicht in Fotos festhalten. Aber wozu haben wir unsere Erinnerungen ... die kann uns keiner nehmen. Und ganz ehrlich, in diesem Moment bin ich COVID-19 sogar ein ganz kleines bisschen dankbar, denn ohne diese Pandemie, dessen Zahlen wir regelmäßig verfolgen, wären wir nicht hier. Wir wären an einem ganz anderen Fleck der Erde 🌍
Den Abend lassen wir in Montepulciano ausklingen. Pünktlich zur blauen Stunde schlendern wir durch die Stadt.
Wir besuchen eines der vielen schönen Lokale und genießen Ravioli gefüllt mit Nüssen und schwarzem Trüffel sowie ein Filetsteak mit Spinat. Zum Dessert gibt es eine Pflaumen-Tarte und Panna Cotta. Alles sehr lecker. Aber mal ehrlich, kann es in Italien überhaupt schlechtes Essen geben? Sollten wir es finden, erfahrt Ihr es 🤭
Die Stimmung ist einfach wunderbar. Morgen wartet Siena auf uns. Daher nun gute Nacht 😴